Seit März 2020 ist Freistadt eine Fraustadt. Wenn diese Tatsache Anlass ist für begeisterte Medienberichte nach tollen Veranstaltungen wie einem Frauensalon mit Lou Lorenz-Dittlbacher oder Kulturevents höchster Klasse, dann sind die Freistädter Entscheidungsträger:innen stolz auf ihre Fraustadt. Aber wenn es darum geht, Freistädter Straßen nach Frauen zu benennen, da agieren sie leider immer wieder sehr verhalten. Das wollen die Fraustädterinnen so nicht mehr länger hinnehmen! Sie haben ihre Enttäuschung über die aktuelle Entscheidung, neue Straßen entgegen anderer Signale wieder nach einem Mann, bzw. einer touristischen Stätte zu benennen, vor der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag kundgetan.
FREISTADT / Ob erste Gemeinderätin, Komponistin, Ärztin, Fotokünstlerin – die Reihe verdienstvoller Freistädterinnen ließe sich lange fortsetzen. Sie alle sind es wert, in die Öffentlichkeit gerückt und gewürdigt zu werden, etwa in Form von Straßennamen. Auch berühmte österreichische Wissenschaftlerinnen oder Politikerinnen könnten Namensgeberinnen von Straßen, Gassen und Plätzen in Freistadt sein. Aber nein. Da werden Straßen viel lieber nach Männern benannt, die vielleicht einen historischen, aber keinerlei Freistadt Bezug haben. Konkret ist das bisher bei rund einem Drittel der insgesamt 60 Freistädter Straßen, die nach Männern benannt sind, der Fall.
60 Männerstraßen versus vier Frauenstraßen. Eine traurige Bilanz
Die Fraustadt-Freistadt hat es sich zum obersten Ziel gesetzt, Frauen in ihrer Vielfalt und Kompetenz sichtbarer zu machen. Den engagierten Freistädterinnen ist es in den vergangenen zwei Jahren unter anderem gelungen, dass zumindest drei neue Straßen nach Frauen benannt wurden. Damit gibt es statt einer Frauenstraße nun vier. Bei der Eröffnungsfeier der drei neuen Frauenstraßen im Frühling 2022 haben politische Entscheidungsträgerinnen wie Verkehrsstadtrat HR Mag. Rainer Widmann (WIFF) Beifall gezollt und in persönlichen, öffentlichen Statements signalisiert, künftig bei Entscheidungen über neue Straßenbezeichnungen historische Frauen stärker berücksichtigen zu wollen.
Diese Signale haben sich leider als Luft leere Versprechen erwiesen. Freistadt wächst, aber anstatt einer weiteren Frauenstraße werden nun zwei neue Straßen zum Einen wieder nach einem Mann und – noch besser – zum Anderen nach einer touristischen Attraktion benannt. Das hat der Verkehrsausschuss so beschlossen und diese Entscheidung bei der Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag vorgebracht. Dass an dieser Entscheidung nicht zu rütteln war, wurde den Mitgliedern der Fraustadt Freistadt zu Beginn der Sitzung während der Bürgerbefragungsstunde schnell klar. Fragen, warum Frauen in Freistadt keine entsprechend gleiche Wertschätzung bei der Benennung von Straßen zuteil würde wie Männern, haben HR Mag. Rainer Widmann (WIFF) und andere Gemeinderatsmitglieder damit begründet, dass es „ja einerseits historisch so gewachsen sei, andererseits nicht automatisch Frauen der Vorzug gegeben werden sollte, wenn es verdienstvolle Freistädter gäbe, wie das aktuell der Fall ist“. Das andere Städte wie beispielsweise Steyr das aber genauso handhaben, um in Sachen Gleichstellung und Gleichberechtigung aufzuholen, blieb ungehört. Einzig Vizebürgermeisterin Sonja Seifried (SPÖ) und ihre Fraktion haben einen Gegenantrag eingebracht und beantragt, die Diskussion über die zwei neuen Straßennamen noch einmal in den Verkehrsausschuss zu vertagen. Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der ÖVP, FPÖ und WIFF abgelehnt. „Besonders traurig, aber auch aufschlussreich war, dass selbst die Solidarität von Frauen leider noch sehr viel Luft nach oben hat, was bei der Abstimmung ersichtlich wurde. Auch wenn diese Solidarität in Gesprächen vorgegeben wird, wird sie leider immer wieder vergessen, wenn es um Taten geht“, zeigen sich die Fraustadt Freistadt-Mitglieder betroffen. „Wir wollen weder jemandem etwas wegnehmen, noch an bestehenden Straßen rütteln. Unsere Absicht ist es einzig, Frauen eine Bühne zu geben, auch auf Straßenschildern. Denn schließlich gibt es viele verdienstvolle Männer, die sich sehr wohl wünschen, dass ihre Töchter und Enkeltöchter irgendwann nicht mehr diese sinnlosen Diskussionen und Forderungen nach Gleichstellung, Respekt und Wertschätzung führen müssen. Man hätte ja auch den Pferdeeisenbahnweg noch umtaufen können, wenn man schon, was für uns sogar verständlich ist, die „angesehene Familie Derrich nicht enttäuschen will“, wie LAbg. a.D KR Gabriele Lackner-Strauss in der Gemeinderatssitzung die Entscheidung des Verkehrsausschusses gerechtfertigt hat“, zeigen sich Elvira Fleischanderl, Hedi Hofstadler, Christine Lasinger, Heidemarie Pöschko, Julia Schober, Barbara Tröls und Conny Wernitznig betroffen.
Aktionsgruppe Fraustadt Freistadt protestiert gegen Straßennamen-Beschluss
Der Protest der Aktionsgruppe Fraustadt Freistadt ist allerdings trotz der Bestätigung des Gemeinderates für eine weitere Männerstraße nicht unbemerkt geblieben und hat hoffentlich bei vielen der Gemeinderatsmitglieder das Bild der Ungleichheit bekräftigt. Denn um diese Ungleichheit in der Straßennamensgebung nur verbal zu thematisieren, haben die Fraustädterinnen den Stufen im Salzhof (existierende) Straßennamen gegeben. Weiße Schilder für Männerstraßen, Rosa Schilder für Frauenstraßen. Und da wurde ganz schnell klar: Der Vergleich hinkt auf allen Ebenen. Bei vier Frauenstraßen im Vergleich zu 60 Männerstraßen gibts nichts zu beschönigen. Nicht mit Worten und schon gar nicht mit Bildern.
„An der aktuellen Entscheidung können wir leider nichts mehr ändern. Aber wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie sich dieses Ungleichgewicht der Straßennamen als Bildnis der Realität für alle anderen Bereiche der Benachteiligung von Frauen von Jahr zu Jahr vergrößert. Deshalb lassen wir uns nicht entmutigen und werden unsere Forderungen nach Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf allen Ebenen des sozialen, wirtschaftlichen und öffentlichen Lebens immer wieder kundtun“, sagt Hedi Hofstadler von der Aktionsgruppe Fraustadt Freistadt. „Bis alle verstanden haben, dass Frauenstraßen eines von vielen möglichen Symbolen sind für Wertschätzung, ehrlichen Respekt und Anerkennung der Verdienste von Frauen. Frauen hatten und haben seit jeher ein großes Potenzial, ohne sie würde vieles brach liegen. Die Benachteiligung in beruflichen, sozialen, aber auch in gesellschaftlichen Bereichen muss ein Ende haben! JETZT“.
Kurz-Info Fraustadt Freistadt
#FraustadtFreistadt rückt die vielfältigen Aktivitäten von Frauen ins Licht und fördert die Vernetzung der unterschiedlichen Akteurinnen in der Region. Künstlerischen, sozialen, gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Themen und Anliegen von Frauen wird im Rahmen der „Fraustadt Freistadt“ mit Veranstaltungen und Aktionen Raum gegeben. Nähere Informationen: www.fraustadt-freistadt.at