Am Donnerstag dem 08. Juni 2023, haben sich die EU-Innenminister*innen beim Asylgipfel in Luxemburg getroffen, um einen umfassenden gemeinsamen europäischen Rahmen für Migrations- und Asylmanagement auf den Weg zu bringen. Nicht nur seit der Flüchtlingskrise 2015 hat die EU mit dieser Thematik immer mehr zu kämpfen. Nebenbei wird sie auch für ihr Vorgehen von allen Seiten kritisiert. Im vergangenen Jahr wurden rund 966.000 Asylanträge sowie Folgeanträge in der Europäischen Union gestellt. Das geht aus Daten der Asylagentur der Europäischen Union hervor. Die EU-Innenminister*innen konnten sich Anfang Juni auf Folgendes einigen:
1. Mit der Asylverfahrensverordnung werden Kontrollen direkt an den EU-Außengrenzen eingeführt, damit rasch festgestellt werden kann, ob Anträge unbegründet oder unzulässig sind. Asylsuchende, die an der Grenze einen Antrag stellen, nachdem diese im Zusammenhang mit einem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen und nach einer Such- und Rettungsaktion ausgeschifft wurden, dürfen nicht einreisen. Ebenso wenn Antragsstellende eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellen, die Behörden durch falsche Angaben oder durch Zurückhalten von Informationen getäuscht wurden, sowie wenn sie einem Drittstaat angehören, welcher einer Anerkennungsquote von weniger als 20 % hat. Dieses Asyl- und Rückkehrverfahrens an der Grenze sollte sechs Monate nicht überschreiten.
2. Zur Durchführung dieser Verfahren soll jedes der 27 Mitgliedstaaten, angemessen und genügend Personal für die Aufnahme – und Rückkehrverfahren zur Verfügung stellen, um jederzeit eine bestimmte Anzahl an Anträge abarbeiten zu können. Die angemessene Kapazität jedes Mitgliedstaats wird anhand einer Formel festgelegt, die die Zahl der irregulären Grenzübertritte und Einreiseverweigerungen über einen Zeitraum von drei Jahren berücksichtigt.
3. Neben der Asylverfahrensverordnung soll auch die Dublin Verordnung erneuert werden. Diese enthält einheitliche Vorschriften zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist. So soll sichergestellt werden, dass ein Antrag innerhalb der EU nur einmal geprüft werden muss. Das heißt, ein Flüchtling muss in dem Staat um Asyl bitten, in dem er oder sie den EU-Raum erstmals betreten hat. Dies geschieht besonders häufig an den EU-Außengrenzen, etwa in Italien, Griechenland oder Ungarn.
4. Für verbindliche Solidarität und mehr Flexibilität jedes einzelnen Mitgliedsstaates, soll der neue Solidaritätsmechanismus eingeführt werden. Es wird eine bestimmte jährliche Mindestanzahl an geflüchteten Personen pro Mitgliedsstaat festlegt um die Länder, in denen viele Ankünfte stattfinden, zu entlasten. Die Anzahl wurde auf 30.000 Personen und ein Finanzbeitrag von mindestens 20.000€ im Jahr, pro Mitgliedstaat festgesetzt. Diese Beiträge können unterschiedlich aussehen und umfassen Übernahmen, Finanzbeiträge oder Entsendung von Personal. Jeder Staat kann sich frei entscheiden welcher Solidaritätsbeitrag geleistet werden soll und wird zu Übernahmen nicht verpflichtet. Sollte die versprochene Mindestanzahl eines Staates, 30.000 Personen aufzunehmen, nicht eingehalten werden bzw. diese unter 60% der finanziell zugesagt Leistung liegen, wird als sekundäre Solidaritätsmaßnahme eine „Verrechnung der Verantwortlichkeit“ eingeführt. Dies bedeutet, dass der beitragende Staat die Prüfung von Asylanträgen eines anderen Staates übernimmt.
5. Die Verordnung sieht ebenso Maßnahmen gegen Missbrauch durch Asylbewerber*innen und zur Vermeidung von Sekundärmigration vor, also wenn Migrant*innen das Land verlassen, in dem sie zuerst angekommen sind, um woanders Schutz zu suchen oder eine dauerhafte Neuansiedlung zu erreichen. Beispielsweise werden Antragsstellende in der Möglichkeit sich den Mitgliedstaat auszuwählen, durch die Verschiebung der einzelnen Zuständigkeiten, eingeschränkt. Es ändern sich unter anderem auch die Zuständigkeiten von Mitgliedstaaten für Asylsuchende. Z.b. ist ein Staat der ersten Einreise für die Dauer von zwei Jahren für den Asylantrag zuständig.
So die Einigung, welche Grundlage für Verhandlungen mit dem EU-Parlament ist. Das heißt, es könnte noch zu Veränderungen kommen, bevor der finale Gesetzesschluss steht. Bis zu den EU-Wahlen Anfang Juni 2024 will man aber eine Reform der Asylpolitik erreichen.
Auf Basis der Website „Migration Info & Grafik“, Eigentum von Herausgeber Stefan Rabl, waren es in Österreich bis Ende Mai 2023 laut dem privaten, nicht kommerziellen Mediendienst rund 18.000 Asylerst- und Mehrfachanträge. Die meisten davon kommen aus Syrien, Marokko und Afghanistan. Hinzu kommen rund 85.000 ukrainische Geflüchtete in der Grundversorgung, also die Deckung der täglichen Grundbedürfnisse, die ein gesondertes Bleiberecht in Österreich haben und nicht in der Asylstatistik auftauchen.
Dass es dazu massive Kritik und Gegenwind aus den einzelnen Ländern gibt, ist nichts Neues. Bei einem weiteren Migrationsgipfel in Wien am 07.Juli 2023, schienen sich Ungarns Präsident Viktor Orbán, Serbiens Präsident Alexander Vučić und Bundeskanzler Karl Nehammer eigens auf verstärkte Polizeizusammenarbeit bei Grenzschutz und Schleppereibekämpfung einig zu werden und die Entscheidungen auf EU-Ebene nicht oder kaum zu akzeptieren.
Wie unsere österreichischen EU-Abgeordneten über den Beschluss denken, welche Argumente es innerhalb der Parteien dafür und dagegen gab, gibt es in diesem Mitschnitt der Pressekonferenzen von Monika Vana von den Grünen, Lukas Mandl ÖVP und Andreas Schieder SPÖ, die im europäischen Parlament in Straßburg vor Ort Mitte Juni 2023 aufgezeichnet wurden, zu hören.
Sendezeit: Mi, 02.08. ab 12:56 oder hier nachhören!
Quellenangaben:
Migration Info & Grafik
Eurostat Statistik
Informationen zur EU-Reform
Informationen zur EU-Reform
Der Spiegel online
Der Standard.at – Migrationsgipfel in Wien
ZDF – Migrationsgipfel in Wien
Der Standard.at – Änderungen der Asylregeln